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18. Januar 1871 - Was hat dort vor 150 Jahren stattgefunden?

Heute am 18. Januar 2021 sind auf den Tag genau 150 Jahre vergangen, als in Versailles der preußische König Wilhelm I. zum deutschen Kaiser proklamiert wurde. Zu diesem Ereignis fällt einem sofort das Gemälde von der Kaiserproklamation im Spiegelsaal ein, welches in keinem Schulgeschichtsbuch fehlt. Das Gemälde auf dem Bismarck in weißer Uniform im Zentrum steht und umringt von einer jubelnden Menge zu König Wilhelm I. von Preußen aufblickt. In diesem Beitrag soll gezeigt werden, wie es zu dem Ereignis am 18. Januar 1871 kam und was an dem Tag tatsächlich stattfand. Soviel sei gesagt, ein Kaiser wurde nicht gekrönt!

Das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin war ein kleiner Nachbar des großen Preußen, ich möchte die Rolle des Großherzogs bzw. verschiedener Landesvertreter Mecklenburg-Schwerins herausarbeiten, um mittels eines regionalen Bezugs die offenen Fragen, die viele Kleinstaaten im Zuge der Reichseinigung beschäftigten, herauszustellen.

Vorgeschichte:

Dem Deutsch-Französischen Krieg ging eine Forderung Kaiser Napoleon III. voraus. Der französische Kaiser verlangte vom preußischen König Wilhelm I., dass sein Haus dauerhaft auf die Krone in Spanien verzichten sollte. Hierzu muss gesagt werden, dass Erbprinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen (aus einer süddeutschen, katholischen Nebenlinie der Hohenzollern) erbbedingt ein Kandidat für die vakante spanische Krone war. Frankreich sah das erstarken Preußens seit dem Deutsch-Deutschen Krieg von 1866 zunehmend kritischer, es befürchtet die Vormachtstellung auf dem Festland zu verlieren. Hätte Leopold die Thronkandidatur nicht zurückgezogen, wäre eine Umzingelung Frankreichs durch das Haus Hohenzollern wie bereits Jahrhunderte zuvor durch das Haus Habsburg die Folge gewesen.

Dem französischen Kaiser reichte die Ablehnung der Thronkandidatur nicht, somit schickte er seinen Botschafter zum Kurort Ems, wo der preußische König verweilte. Der Botschafter Graf Benedetti fing König Wilhelm I. von Preußen am 13. Juli 1870 auf der Promenade in Ems ab, um „auf sehr zudringliche Art… für alle Zukunft…“ eine Erklärung zu erhalten, dass eine Hohenzollern-Thronkandidatur in Spanien ausgeschlossen wird. Wilhelm I. lehnte dies ab und ließ noch am selben Tag ein Telegramm an seinem Bundeskanzler Bismarck senden, um ihn über den ungewöhnlichen Vorgang zu informieren. Bismarck verfasste daraufhin die sogenannte „Emser Depesche“. Er fasste das Geschehene in eigenen Worten zusammen und ließ den Text veröffentlichen.

Sowohl in der deutschsprachigen als auch in der französischen Öffentlichkeit wurde eine große Empörung über das Geschehen ausgelöst. In Frankreich echauffierte man sich darüber, dass dem Botschafter kein erneuter Empfang beim König gewährt wurde und in der deutschen Öffentlichkeit wurde die Forderung als auch das Vorgehen des französischen Botschafters in Ems als nicht angemessen empfunden. Heute sind sich viele Historiker einig, dass Otto von Bismarck den Krieg mit seinem Schreiben einkalkuliert hatte, da er seinen Text sehr schnell veröffentlichen ließ und wusste, dass die politische Stimmung in beiden Gesellschaften sehr angespannt war. Die französische Regierung fühlte sich gedemütigt und erklärte Preußen kurz darauf am 19. Juli 1870 den Krieg.

 

Abriss zum Kriegsverlauf:

Frankreich ging bei der Kriegserklärung davon aus, Preußen schnell besiegen zu können. Es rechnete nicht mit den zum Teil geheimen Schutz- und Trutzbündnissen zwischen Preußen und vielen deutschen Kleinstaaten. Bis auf eine Schlacht bei Saarbrücken fand das gesamte Kampfgeschehen auf französischem Territorium statt. Nachdem am 2. September 1870 der französische Kaiser Napoleon III. von preußisch-deutschen Truppen bei Sedan gefangen genommen wurde, überschlugen sind in Frankreich die Ereignisse, so dass es zum Sturz der Monarchie kam und zwei Tage später die dritte französische Republik ausgerufen wurde. Die französischen Truppen kämpften weiter. Am 27. Oktober 1870 kapitulierte die französische Rheinarmee bei Metz, aber in Paris ging das Kampfgeschehen weiter. Das durch französische Truppen besetzte Paris kapitulierte erst nach schwerem Artilleriebeschuss am 28. Januar 1871.

 

Der 18. Januar 1871:

Der zeremonielle Akt am 18. Januar 1871 in Versailles wurde akustisch vom Kampfgeschehen in Paris begleitet. Das Datum 18. Januar hatte keine politische Bedeutung, allerdings war es historisch stark aufgeladen. Am 18. Januar 1701, genau 170 Jahr zuvor, wurde Friedrich III. Kurfürst von Brandenburg und Herzog von Preußen zum ersten König von Preußen ernannt. In Preußen war der 18. Januar bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert der höchste staatliche Feiertag. Im Jahr 1871 steht dieses Datum für eine Traditionslinie, in der Preußens Aufstieg mit dem Aufstieg des deutschen Reiches gleichgesetzt wurde. Der zeremonielle Akt begann mit einem Gottesdienst und ging mit der Versammlung von eingeladenen adeligen Vertretern und Militärs im Spiegelsaal weiter. Zur Proklamation wurden keine Pressevertreter und keine Vertreter von Landesparlamenten etc. eingeladen. Großherzog Friedrich I. von Baden war der Erste, der ein Hoch auf den frisch proklamierten Kaiser Wilhelm I. ausrief, nachdem Otto von Bismarck eine Rede gehalten hatte. Einen formellen Krönungsakt hat es niemals gegeben. Darüber hinaus hat das deutsche Kaiserreich bereits am 1. Januar 1871 begonnen zu existieren, da die zuvor gemeinsam geschaffene Reichsverfassung zum 1. Januar 1871 in Kraft trat. Somit hat diese Proklamation rechtlich keine Bedeutung, dieses Datum wurde allerdings immer wieder zitiert und es wurde darüber geschrieben, so dass es im kollektiven Gedächtnis mit der Reichsgründung verbunden wird.

Der Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin konnte aufgrund von militärischen Verpflichtungen an der Kaiserproklamation in Versailles nicht teilnehmen, allerdings schickte er seinen Sohn und Nachfolger Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin, um das Großherzogtum zu vertreten.

 

Die Rolle des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin bei der Reichsgründung 1871:

Als wichtigster Protagonist in Mecklenburg-Schwerin ist vor und nach der Reichsgründung der Großherzog Friedrich Franz II. zu erwähnen. Friedrich Franz II. war der Sohn von Großherzog Paul Friedrich, der die Residenz von Ludwigslust wieder nach Schwerin verlegten ließ. Seit 1842 war Friedrich Franz II. Großherzog von Mecklenburg-Schwerin. Kurz nach seinem Regierungsantritt wurde er vom preußischen König zum Generalmajor und wenig später zum General der Infanterie ernannt.

Um die Verbindung zwischen dem Haus Mecklenburg und Preußen zu charakterisieren, muss sie über einen längeren Zeitraum betrachtet werden. Im deutsch-dänischen Krieg von 1864 handelte Großherzog Friedrich Franz II. politisch geschickt, weil er zwar das Kommando über eine preußische Armeeabteilung ablehnte, da die lange mecklenburgische Küste vor starken dänischen Angriffen nicht geschützt werden konnte. Allerdings unterstützte der Großherzog die strategische Abteilung im preußischen Hauptquartier.

Entgegen der Haltung vieler ständischer Vertreter stellte sich der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin im darauf folgenden deutsch-deutschen Krieg von 1866 auf die Seite Preußens und führte neben preußischen Truppen auch mecklenburgische Verbände. Die Ständevertreter von Mecklenburg-Schwerin sahen die Expansion Preußen kritisch, da beispielsweise kleindeutsche Staaten wie das Königreich Hannover oder das Herzogtum Nassau annektiert wurden. Es stand somit immer die Befürchtung im Raum, dass auch das Land Mecklenburg-Schwerin seine Souveränität bei einem Angriff des militärisch weit überlegenen Preußen verlieren würde.

Die Abgesandten und Regierungsvertreter der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz waren im Jahr 1870 sehr häufig in Berlin, um über eine künftige Reichsverfassung zu debattieren. Insbesondere zum Jahresende wurden die Debatten intensiver geführt, bis die dafür notwendigen Verträge im November und Dezember unterzeichnet werden konnten. Es wurde erfolgreich versucht, eine größtmögliche Selbstständigkeit im neuen Reich zu erhalten. Hierbei gelang es den Mecklenburger Großherzogtümern als einzigen Staaten im Reich, ihre landständische Verfassung aus dem 16. Jahrhundert zu bewahren. Das heißt, eine moderne Verfassung bestand nicht, sodass die bestehende Staatsform am Besten als erbliche, durch Feudalstände beschränkte Monarchie beschrieben werden kann. Insbesondere die Ritterschaft und die Landstände schafften es politische Veränderungen, wie sie von anderen deutschen Kleinstaaten im Reich gefordert wurden, erfolgreich zu verhindern.

Nach der Kriegserklärung Frankreichs am 19. Juli 1870 wurde dem Großherzog der Oberbefehl über die zum Schutz der deutschen Küste gegen einen Landungsversuch der Franzosen oder mögliche Feinseligkeiten Dänemarks zusammengezogenen Truppen übertragen. Da die französische Flotte nicht vor der deutschen Küste kreuzte und Dänemark sich ruhig verhielt, wurde er im September mit der 17. Division und der 2. Landwehrdivision nach Metz gerufen. Danach zog er mit seinen Truppenteilen von Sedan nach Paris, um der vorausmarschierenden Armee den Rücken zu sichern. Am 24. Oktober 1870 wurde dem Großherzog eine besondere Armeeabteilung zugewiesen, er zog gegen große französische Truppenteile bei Orleans und Beaugency. Insbesondere diese Einsätze trugen zum militärischen Ruhm des Großherzogs bei.

Der Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin hatte die potentielle preußische Gefahr im Blick und Stand daher militärisch eng an der Seite Preußens. Hierbei darf auch nicht verkannt werden, dass es zwischen dem mecklenburgischen und preußischen Haus dynastische Verflechtungen gab, so war Friedrich Franz II. der Neffe von König Wilhelm I. von Preußen. Da der Großherzog den Befehl hatte, militärische Operationen durchzuführen, konnte er an der Kaiserproklamation nicht teilnehmen. Offiziell endete der Krieg erst am 10. Mai 1871 mit dem Frieden von Frankfurt. Am 14. Juni 1871 zog Friedrich Franz II. an der Spitze der mecklenburgischen Armee in Schwerin ein und erhielt zwei Tage später in Berlin vom Kaiser Wilhelm I. das Großkreuz des Eisernen Kreuzes und die Feldmarschallwürde.

Am 2. Dezember 1873 wurde die feierliche Grundsteinlegung der Siegessäule vor dem Schweriner Schloss durch den Großherzog mit den Worten: „Den Gefallenen zum Gedächtnis. Den Lebenden zur Mahnung.“ vollzogen. An der Spitze der Säule steht die „Megalopolis“ eine Frauengestalt, die das Land Mecklenburg verkörpert. Sie hält ein Schwert mit Lorbeerkranz über ihren Kopf und trägt ein Spitzschild mit dem Mecklenburger Stierkopf-Symbol. Die ca. 23 Meter hohe Säule wurde am 2. Dezember 1874 mit einer Denkmalweihe der Öffentlichkeit übergeben.

 

 

Quellen:

www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/das-reich/reichsgruendung-1871.html (18.01.2021)

www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/das-reich/krieg1870/ (18.01.2021)

www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/das-reich.html (18.01.2021)

www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/150-jahre-emser-depesche-100.html (18.01.2021)

Zur Emser Depesche:

www.documentarchiv.de/nzjh/ndbd/emser-depesche.html (Stand: 18.01.2021)

ghdi.ghi-dc.org/sub_document.cfm (Stand: 18.01.2021)